Industrieverbände warnen davor, dass Deutschland als Industriestandort abgehängt wird

Industrieverbände warnen davor, dass Deutschland als Industriestandort abgehängt wird
Die Ergebnisse der regelmäßigen Studien hat die Stiftung Familienunternehmen übersichtlich aufbereitet (Screenshot: www.familienunternehmen.de).

Rang 18 von 21 – der Industriestandort Deutschland landet mittlerweile abgehängt unter »ferner liefen«. Das Ranking des Forschungsinstituts ZEW zeigt auf, dass Deutschland seit 2020 vier Plätze verloren hat.

Die Industrieverbände Industrieverband Blechumformung e.V. (IBU), Industrieverband Massivumformung e.V. (IMU), Deutscher Schraubenverband e.V. (DSV), Industrieverband Härtetechnik e.V. (IHT) und Verband der Deutschen Federnindustrie e.V. (VDFI) warnen daher davor, dass die deutsche Politik den Industriestandort zu teuer, zu langsam und zu bürokratisch mache sowie oft einseitig auf Datenschutz und vermeintliche Rechtskonformität ausgelegt sei. Sie fordern daher für mittelständische Unternehmen bessere Bedingungen, um international wettbewerbsfähiger zu werden, denn nur so könne der Industriestandort Deutschland wieder attraktiver und produktiver werden.

Zu teuer 

Energie-, Arbeits- und Regulierungskosten sowie Steuern schnürten der Industrie die Luft ab. Bei Strom- und Gaspreisen, Steuerlast, unternehmerischen Pflichten und Löhnen liege Deutschland vorn. »Wandern die damit benachteiligten Industrieunternehmen ab, sinkt die Qualität in den Lieferketten«, warnt IMU-Geschäftsführer Tobias Hain. »Deshalb muss die Politik die Unternehmen jetzt am Standort halten. Alle Unternehmen!«

Zu einseitig

Das erfordere eine mittelstandsorientierte Industriestrategie. Die Verbände sehen den Mittelstand als tragende Basis der Industrie an, der aber in Berlin neben der Konzernwelt nur eine Nebenrolle spiele. »Bei der Transformation vermissen wir Ressourcenbewusstsein und Technologieoffenheit«, bedauert DSV-Geschäftsführer Hans Führlbeck. Dieses Ungleichgewicht zeige sich auch bei den EU-Politikfeldern, kritisiert Michael Hagedorn, Geschäftsführer des VDFI: »Die Kommission gibt Ziele vor, die faktisch nicht zu erreichen oder administrierbar sind.«

Zu bürokratisch

Bürokratische Prozesse verkomplizierten zudem Investitionsvorhaben und lähmten diese – auch bei Förderleistungen. Als jüngstes Beispiel führen die Verbände die Energiepreisbremse an – Hürden und Auflagen versperrten energieintensiv produzierenden Unternehmen den Weg zur Hilfe. »Man will alles superkorrekt und klagefest regeln, anstatt schnell und praxisnah zu unterstützen«, so Hain. »Konzerne und internationale Unternehmen verlagern und investieren kaum noch in Deutschland, wenn es Standortalternativen gibt. Unsere Bürokratiedichte ist ein Standortkiller«, äußert sich Führlbeck.

Jüngstes prominentes Beispiel hierzu ist die angekündigte Schließung von Teilen der Produktion von BASF in Ludwigshafen.

Zu langsam

Öffentliche Investitionen erfolgten im Schneckentempo. Die Infrastruktur verfalle, Reformen zögen sich hin, was sich u. a. in maroden Brücken, Schienen und Gleisen, mangelnder Digitalisierung in Verwaltungen, überkommenen Steuersystemen und dümpelnden Bildungsinfrastrukturen manifestiere. »Wir weisen Politiker immer wieder auf die drastischen Folgen für den produzierenden Mittelstand hin. Und werden das weiter tun, damit sich endlich etwas bewegt am Industriestandort Deutschland«, betont Bernhard Jacobs.

ZEW-Länderindex zeigt Schwächen

Der Länderindex als Vergleich von 21 Industriestaaten wird regelmäßig vom ZEW im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt – seit 2006 mittlerweile zum neunten Mal. Seitdem ist Deutschland um sechs Rangplätze abgerutscht. Damit sieht die Stiftung Deutschland als den großen Verlierer im Standortwettbewerb an, da es mittlerweile mit Spitzenstandorten in Nordamerika, Westeuropa und Skandinavien kaum noch mithalten könne. Während andere Staaten in Infrastruktur investierten oder ihr Steuersystem reformierten, komme Deutschland nicht voran. Der einzige klare Aktivposten sei die vergleichsweise geringe Verschuldung von Staat und privaten Haushalten.

Das komplette Ranking 2022 und 2020 im Vergleich (Quelle: Berechnungen von ZEW und Calculus Consult; Screenshot aus dem PDF des ZEW).

Die gegenwärtige Krise sollte aus Sicht der Studienautoren als Chance zur Umkehr begriffen werden, v. a. zum Abbau lähmender Regulierungslasten. Die steuerlichen Bedingungen müssten sich dringend verbessern und mit Blick auf den Fachkräftemangel sei eine Wende in der Bildungspolitik nötig. Die Genehmigung und Durchführung öffentlicher Investitionsvorhaben sollte sich in der Breite beschleunigen.

»Dramatisch an Qualität verloren«

»Der Industriestandort Deutschland hat dramatisch an Qualität verloren. Gerade die hohen Energiepreise, an denen wir wenig ändern können, müssten doch Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern. Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören«, wird Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, zitiert.

In der aktuellen Rangliste befindet sich Deutschland auf Platz 18, vier Plätze schlechter als beim vorhergehenden Länderindex aus dem Jahr 2020. Die Länder auf den Plätzen 14 bis 19 liegen mit ihren Punktwerten jedoch sehr nah beieinander. Die Studie sieht für Deutschland aber aktuell keine Anzeichen für eine Aufwärtsbewegung.

Spitzenreiter kämpft mit Inflation

Angeführt wird das Länderranking von den USA, Kanada, Schweden und Schweiz. Die USA zeigten sehr gute Ergebnisse bei den Standortfaktoren Energie und Regulierung, man dürfe jedoch die dort überdurchschnittliche Inflation nicht vergessen, der Preis- und Lohndruck sei hoch. Verbunden mit der Dollar-Aufwertung mindere das die Attraktivität des Standorts.

Der Länderindex wird als gewogener Durchschnitt von sechs Subindizes errechnet: Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur/Investitionen, Energie. [pm]


05. März 2023